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1 125 JAHRE HGC FREITAG 1

Editorial

Ein Jubiläum endet...

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Epilog

Das letzte Wort

Schuld & Sühne

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Ein Hauch von James Bond kam in der HGC auf, als der Direktor sich und das Kader mit Diamanten beschenkte (und seine Frau gleich noch mit einer goldenen Armbanduhr dazu).

In der letzten Ausgabe unseres Jubiläumsmagazins haben wir Ihnen versprochen aufzuzeigen, wer alles in den Strudel der Untersuchung geriet, welchen Personen bei der HGC eine Mitverantwortung für die finanziellen Unregelmässigkeiten gegeben wurde und mit wem man sich wie einigte. Ebenfalls wollten wir darüber informieren, was zur Verurteilung des fehlbaren Direktors Karl Andres geführt hatte und was für eine Strafe er dafür erhielt. Nun, dann wollen wir das doch tun.

Wir erinnern uns: Wegen zunehmender interner Spannungen innerhalb des Kaders der HG und nach gerüchteweisem Bekanntwerden verschiedener Vorkommnisse suspendierte die Verwaltung am 13. März 1984 Direktor Andres sowie Hauptbuchhalter Nussbaumer und beauftragte die erweiterte Kontrollkommission mit der Durchführung einer firmeninternen Untersuchung.

Die Kontrollkommission ordnete die sofortige Sicherstellung von allen Buchhaltungsunterlagen und weiterem Beweismaterial im Direktionsbüro an. Ausserdem verlangte sie eine protokollierte Befragung des Kaders am Hauptsitz sowie im Bedarfsfall eine umfassende Buchprüfung durch eine neutrale Stelle an.

Eine interne Angelegenheit

Drei Tage später, am 16. März 1984, wurde der Zürcher Rechtsanwalt Dr. Albert Banzer mit der Durchführung einer firmeninternen Untersuchung beauftragt. Gestützt darauf befragte er in den folgenden Tagen den Direktor, den Chefbuchhalter, zwölf weitere Kadermitglieder, den Präsidenten, den Vizepräsidenten sowie eine Reihe von aussenstehenden Personen, einige davon zum Teil mehrmals.

«Die dargestellten Aussagen des Angeklagten zeigen dessen krampfhaftes und kaum zu bremsendes Bemühen, Erklärungen zu liefern und sofort durch neue zu ersetzen, wenn sie sich aufgrund objektiver Erhebungen als unrichtig erweisen. Erst wenn der Angeklagte glaubt, die Widerlegung sei nicht mehr möglich, legt er sich schliesslich auf etwas fest.»

Aus dem Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 24.1.90

Seinen ersten schriftlichen Bericht erstattete Rechtsanwalt Banzer am 27. März 1984. Dieser enthielt eine Reihe von Feststellungen.

So hatte der Hauptbuchhalter in den Jahren 1980 bis 1983 neben seinem offiziellen Salär zusätzlich insgesamt Fr. 66'550.-- unter den Titeln «Autoentschädigungen», «Mitarbeit an Jahresberichten» und «zusätzliche Lohnzahlungen» bezogen. Hinzu kam Ende 1983 eine Vorauszahlung von Fr. 24'000.-- für «Autoentschädigungen» und «Vertrauensspesen der Jahre 1984 und 1985». Alle Bezüge waren vom Direktor bewilligt worden, der die entsprechenden Checks mitunterzeichnet hatte.

Sämtliche Zahlungen waren im Einverständnis mit dem Direktor zudem verdeckt verbucht worden, beispielsweise unter «Warenrechnung Zement», «Kundenkonto» oder «übrige Debitoren». Ein weiterer Check über Fr. 5'000.-- von anfangs März 1984 wurde nicht mehr eingelöst, da er von dritter (und heute nicht mehr bekannter) Seite der Verwaltung zugespielt wurde und sie zum sofortigen Eingreifen veranlasste.

Der Stein kommt ins Rollen

Bei der anschliessenden Kontrolle traten weitere Ungereimtheiten zutage: Die Direktion hatte dem ehemaligen Präsidenten C. Bochsler eine Abgangsentschädigung von Fr. 35'000.-- bewilligt, deren Verbuchung direkt unter «Skonti» erfolgte. Dr. Banzer vermutete noch eine weitere Zahlung aus der Direktionskasse an den ehemaligen Präsidenten. Dafür fanden sich allerdings keine Belege.

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Wertvolle Teppiche, bezahlt von der HGC und aufbewahrt zuhause.

Sodann wurden – nebst einem Fr. 38'000.-- teuren Seidenteppich, der in der HGC aufgehängt wurde, noch weitere Teppiche im Wert von rund Fr. 100'000.-- angeschafft. Diese fanden sich jedoch nicht in der HGC, sondern teilweise beim Direktor zuhause wieder. Der andere Teil blieb unauffindbar. Rechnungen dafür waren in der Buchhaltung ebenfalls keine zu finden. Nur Einzahlungsscheine mit Anweisungen des Direktors zur verdeckten Buchung, was unter anderem unter «Kundenkonti» und «Kunstkommission» erfolgte.

Ein revolutionärer Baustoff?

Im Zusammenhang mit einer Investition der HGC in einen neuen Baustoff namens Zytan, stellten der Direktor und der Chefbuchhalter einen Check in Höhe von Fr. 53'000.-- aus. Dieser wurde für die Einräumung eines Pfandrechtes in Höhe von Fr. 1 Mio. zugunsten der HGC auf ein Zytan-Schutzrecht ausgestellt. Das Geld floss an eine Firma namens Perfluktiv Consult AG, die aber offenbar nichts mit Zytan zu tun hatte. Entgegen einer anderslautenden Quittung erfolgte die Buchung verdeckt unter «Lieferantenkonti», nachdem eine erste, ebenfalls verdeckte Buchung unter «Mitgliedergeschenke» erfolgt und jenes Kontoblatt später ersetzt worden war.

Ausserdem wurden der HGC gemäss Dr. Banzer grosse Beträge für Beratungskosten belastet, die zum Teil Tochtergesellschaften betrafen und zum Teil unberechtigt auf verschiedene Filialen der HGC verbucht worden waren. Einzelne Beratungshonorare waren laut Dr. Banzer zudem offenkundig übersetzt oder gar für nicht erbrachte Leistungen erfolgt.

Hohe Rechnungen für Helikopterflüge

Auch für Helikopterflüge waren hohe Rechnungen bezahlt worden, aus heutiger Sicht ironischerweise für angebliche Flugstunden der Kontrollkommission. Wie sich herausstellte, waren diese jedoch zu einem ganz erheblichen Teil zu Unrecht dieser zugeschrieben worden. Und last but not least kam heraus, dass der Direktor bei seiner Bewerbung für den Direktionsposten ein gefälschtes Techniker-Diplom eingereicht hatte.

Dr. Banzer stellte also in kürzester Zeit eine Vielzahl von Unregelmässigkeiten fest. Dabei spielten seiner Meinung nach die systematische Vornahme von verdeckten Buchungen sowie die vom Direktor selbst geführte Direktionskasse eine zentrale Rolle.

Im Mittelpunkt stand für ihn dabei stets der Direktor, während seiner Meinung nach als Mitbeteiligte der Chefbuchhalter sowie am Rande auch die Direktion in Frage kamen. Von all diesen Vorgängen, meinte der Rechtsanwalt, habe die übrige Verwaltung wohl keine Kenntnis gehabt, da weder der Präsident noch der Vizepräsident sie über die ihnen als Direktionsmitglieder bekannt gewordenen Vorgänge unterrichtet hatten.

Eine befangene Revisorin?

Auch das Verhalten der Treuhandgesellschaft namens Neutra AG, die damals für die Revision zuständig gewesen war, stach dem Rechtsanwalt ins Auge: Der für die HG zuständige Revisor war nicht nur Mitglied der Kontrollkommission, sondern hatte auch die Direktionskasse jeweils direkt mit K. Andres revidiert.

Aufgrund der gesamten Feststellungen Dr. Banzers beschloss die Verwaltung am 3. April 1984

  • die sofortige Anordnung einer umfassenden Buch- und Geschäftsverkehrsprüfung durch die Treuhandgesellschaft ATAG;

  • die sofortige Auflösung der Arbeitsverhältnisse mit K. Andres und baldmöglichst auch mit dem Chefbuchhalter;

  • dass einstweilig auf eine Strafanzeige gegen die beiden verzichtet würde (unter ausdrücklichem Vorbehalt, das allenfalls später noch nachzuholen);

  • dass die Kontrollkommission allfällige noch weitere Verantwortlichkeiten abklären müsse.

Weshalb keine Strafanzeige durch die HGC?

Die HGC wollte zu diesem Zeitpunkt also, trotz des dringenden Verdachts auf das Vorliegen von strafbaren Handlungen, mit der Einreichung von Strafanzeigen zuwarten. Erstens wollte man laut Dr. Banzer offenbar so rasch wie möglich Konsequenzen aus dem Fall ziehen, um einen reibungslosen Weiterlauf der HGC-Geschäfte sicherzustellen. Zudem wollte man damit die Beschlagnahmung von umfangreichen Firmenakten durch eine Untersuchungsbehörde verhindern, womit bei einer Strafanzeige zu rechnen gewesen wäre.  

Eine anonyme Strafanzeige

Durch die Einreichung einer anonymen Strafanzeige am 17. Mai 1984 aus den Reihen der HGC – bis heute ist unklar, von wem oder welcher Gruppierung sie stammte (unterzeichnet war sie mit «HG-Mitglieder aus der ganzen Schweiz»), wurde das Vorhaben der Verwaltung der HGC vereitelt, den Fall unter den Teppich zu kehren oder, feiner ausgedrückt, intern zu regeln.

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Eine Vorliebe hatte der Direktor offenbar auch für teure Ikonen.

Die ATAG nahm zwar in der Folge ihre Prüfungsarbeiten in der HGC am 10. April 1984 auf und brachte noch weitere Unregelmässigkeiten zutage (dazu später mehr). Doch die Kantonspolizei Zürich hatte nun die Federführung inne und ermittelte von Amtes wegen. 

Dazu gehörte auch, dass der mit der Aufklärung des Falls betrauten Spezialabteilung 1 für Wirtschaftsdelikte am 20. Juni 1984 alle Berichte der ATAG mit allen Beilagen, Berichten und dazugehörigen Befragungsprotokollen und weiteren Unterlagen ausgehändigt werden mussten.

Der Direktor wurde schon bald – erstmals vom 9. Juli bis zum 7. August 1984 und, aufgrund seines renitenten und äusserst widersprüchlichen Aussageverhaltens, noch einmal vom 28. August bis 5. Oktober 1984 – in Untersuchungshaft genommen. Bei Durchsuchungen seiner Villa im «Säuliamt» wurden von der Untersuchungsbehörde zusätzliche Akten und weitere Beweisstücke sichergestellt.

Weitere Untersuchungsergebnisse

Obwohl heute laut dem Staatsarchiv des Kantons Zürich keine Untersuchungsakten mehr vorhanden sind, lässt sich aus den wenigen in der HGC archivierten Akten (GV-Protokolle, Geschäftsberichte und anwaltschaftliche Korrespondenz) sowie dem der HGC diesen November vom Obergericht des Kantons Zürich zugestellten letztinstanzlichen Urteil herauslesen, dass bei den weiteren Ermittlungen noch eine Reihe von weiteren Tatbeständen ans Licht kamen.

Da war zunächst ein von der Direktion bewilligter Diamantenkauf zur Belohnung von Kadermitarbeitenden, bei dem der Direktor von den 32 Diamanten im Wert von Fr. 162'000.-- (davon einen für sich selber im Wert von Fr. 11'000.--), unter gütiger oder besser gesagt dubioser Mithilfe des renommierten Schmuckgeschäfts, anstelle des 32. Diamanten noch rasch eine Damenarmbanduhr für seine Gemahlin im Wert von Fr. 10'900.-- abzweigte.

Und offenbar zahlte sich Andres aus der Direktionskasse auch noch eine Spezialgratifikation über Fr. 141'000.-- aus, die sowohl von der Direktion als auch der Revisionsstelle durchgewinkt worden war. Das war dann des Guten zuviel, weshalb der amtierende Präsident und sein Vize, die zusammen mit dem Direktor das höchste Gremium der HGC, die Direktion, gebildet hatten, noch vor der ordentlichen Generalversammlung vom 26. Juni 1984 aufgrund des zunehmenden Drucks zurücktraten.

Bevor wir darauf eingehen, was von all diesen Vorwürfen nach viel Häme in der Öffentlichkeit, einer mehrjährigen Strafuntersuchung und äusserst komplexen zivilrechtlichen Vergleichsverhandlungen letztendlich beim höchstrichterlichen Urteil im Jahr 1990 noch übrigblieb, wollen wir kurz auf die Frage eingehen, was denn Schuld und was Sühne ist.

Schuld und Sühne

Mit der Schuld ist es so eine Sache: Zuoberst steht in einem Rechtsstaat stets die Unschuldsvermutung. Das heisst, nicht der Angeklagte oder Beschuldigte hat seine Unschuld zu beweisen, sondern die Anklagebehörde oder die Klägerschaft hat ihm seine Schuld nachzuweisen. Das wird in diesem Bericht noch eine wichtige Rolle spielen.

Ausserdem gibt es ganz unterschiedlichen Arten von Schuld. Ein Vergehen oder Verbrechen begeht nur der, der das Strafrecht verletzt. Und wer das tut, dem drohen nebst einer Verurteilung allenfalls noch Schadenersatzforderungen, die Übernahme der Verfahrenskosten und im Falle einer unbedingten Verurteilung eine Haftstrafe (oder bei einer bedingten Haftstrafe die Androhung einer solchen bei Zuwiderhandlung gegen Auflagen des Gerichts oder wiederholter Delinquenz während der Probezeit).

Auch ausserhalb des Strafrechts kann es zu Streitigkeiten kommen. Diese werden gemäss dem Zivilgesetz und/oder dem Obligationenrecht geregelt. Oft werden solche zivilrechtlichen Auseinandersetzungen aufgrund ihrer Komplexität oder eines ungewissen Prozessausgangs durch Vergleiche erledigt. Vergleiche können aussergerichtlicher Natur sein, also wenn man ausserhalb eines Gerichts oder einer anderen Behörde, zum Beispiel durch die Parteianwälte, eine Lösung findet. Oder ein Gericht oder eine andere Behörde, zum Beispiel der Friedensrichter, erarbeitet mit den Parteien eine gerichtliche Einigung. In beiden Fällen schliesst man die Auseinandersetzung mit einer Vereinbarung ab, welche die gegenseitigen Rechte und Pflichten festhält. Finden sich die Parteien nicht, entscheiden aber auch in solchen Fällen die Gerichte.

Und zuletzt gibt es noch jene Tatbestände, die weder straf- noch zivilrechtlich geregelt werden können, aber dennoch erhebliche Auswirkungen auf die Beteiligten haben können. Die Rede ist von moralisch-ethischen Verfehlungen, die dem Zeitgeist, den Sitten oder Gebräuchen widersprechen und oft durch eine gesellschaftliche Ächtung bestraft werden, die allenfalls weit schlimmer ist als eine Verurteilung durch ein Gericht oder eine (zum Beispiel finanzielle) Wiedergutmachung.

«Der Angeklagte hat in der Untersuchung immer wieder geltend gemacht, anlässlich von Generalversammlungen einzelner Sektionen des SBV in verschlossenen Couverts Zuwendungen gemacht zu haben (...). Diese Zuwendungen sollen geheim gewesen (...) sein, um nicht den Neid anderer, nicht bescherter Sektionen zu erwecken.
Dieser Behauptung wurde in der Untersuchung (...) nachgegangen. Es zeigte sich, dass von keiner einzigen (Sektion) solche geheime Zahlungen bestätigt wurden; Stichproben ergaben, dass die in den Antwortschreiben erwähnten Zuwendungen in der HG offen und ordnungsgemäss in den einschlägigen Konten verbucht wurden.»

Aus dem Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 24.1.90

Bei Wirtschaftsdelikten sind oft alle drei Arten von Schuld und Sühne anzutreffen, und das macht auch diesen Fall ziemlich interessant. So war für die Anklagebehörde offenbar ausschliesslich das Fehlverhalten des Direktors Andres strafrechtlich relevant. Denn abgesehen von einem Bekannten des Hauptangeklagten, der ausserhalb der HGC stand und ihm bei einer eingrenzbaren Deliktsserie zuhilfe kam, hätten durchaus auch andere Personen durch ihr Verhalten strafrechtliche Normen verletzt haben können (auch dazu später mehr).

Die Anklage

Andres aber wurde schliesslich von der Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich in der Verhandlung vor dem Obergericht des Kantons Zürich vom 24. Januar 1990 allein der Veruntreuung, der Urkundenfälschung (und zusätzlich wegen eines für die HGC nicht relevanten Verkehrsdeliktes) angeklagt. Damit war er die einzige Person aus den Reihen der HGC, die strafrechtlich belangt wurde für Vergehen oder Verbrechen, die man normalerweise nicht allein begehen kann.

Durch seine Stellung als alleiniger Direktor der HGC, so die Untersuchungsbehörde, habe Andres über faktisch uneingeschränkte Befugnisse im Innenverhältnis verfügt und dadurch direkten Zugriff gehabt auf finanzielle Mittel der HGC – entweder durch direkten Zugriff mittels Barbezügen an der Hauptkasse oder über Zahlungsanweisungen –, ohne dass dafür eine vorgängige Kontrolle oder ein Visum erforderlich gewesen wäre.

Fortgesetzte Veruntreuung

Diese uneingeschränkten Befugnisse soll Andres laut der Staatsanwaltschaft ausgenützt haben, als er zwischen Juli 1978 und Anfang 1984 Barbezüge zulasten der Direktionskasse im Umfang von fast Fr. 250'000.-- tätigte.

Ausserdem soll der Angeklagte als Präsident des Verwaltungsrates der damals zur HGC gehörenden Hans U. Bosshard AG (in der Folge HUB genannt) Ende August 1983 mit dem scheidenden Direktor der HUB eine aus steuerlichen Gründen verdeckt auszuzahlende Abgangsentschädigung von Fr. 40’000.-- vereinbart haben, von welcher er diesem lediglich Fr. 5'000.-- auszahlte, ihn aber für Fr. 40'000.-- quittieren liess.

Die Zahlungsabwicklung erfolgte so, dass Andres die HUB anwies, der Stiftung Hans Erni in Luzern für ein von ihm privat erworbenes Kunstgemälde des bekannten Luzerner Künstlers namens «Pegasus» Fr. 40’000.-- zu überweisen, was auch geschah. Durch diesen Ablauf war er im Umfange von Fr. 35'000.-- persönlich bereichert.

Pikant: Diesen Betrag soll Andres erst unmittelbar nach seiner Suspendierung, also im März 1984, an den ehemaligen HUB-Direktor zulasten seines Privatvermögens ausbezahlt haben. Der Angeklagte, vermutete die Staatsanwaltschaft, habe wohl beabsichtigt, dem schwer erkrankten und wenig später auch verstorbenen Kadermann die von ihm bereits Ende August 1983 quittierte Restzahlung von Fr. 35'000 vorenthalten zu wollen.

«Aufgrund der Akten ist einwandfrei erstellt, dass der Angeklagte, wie in der Anklage festgehalten, von Trapletti 150'000 Franken ausbezahlt erhielt. Nachdem er in der Untersuchung lange Zeit behauptet hatte, diesen Betrag für die HG eingesetzt zu haben, gab er schliesslich zu, die 150'000 Franken übernommen und für sich verwendet zu haben.»

Aus dem Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 24.1.90

Auch der bereits beschriebene Diamantkauf, bei dem nebst einem Diamanten im Wert von Fr. 11'000.-- auch noch eine Golduhr für seine Frau im praktisch identischen Wert (Fr. 10'900.--) heraussprang, wurde von der Staatsanwaltschaft eingeklagt.

Ausserdem soll er mit vier Checks über knapp Fr. 20'000.--, die zu Lasten von Warenaufwand- bzw. Erlösminderungskonten der HGC verbucht worden waren, die Miete für eine Ferienwohnung bezahlt sowie vier Gemälde des Bündner Malers Alois Carigiet (der vor allem wegen seiner Bilder für das Kinderbuch «Schellenursli» schweizweit bekannt war) gekauft haben. Den Rest von Fr. 4'000.-- habe er für sich behalten.

Auch die Veruntreuung der bereits genannten Teppiche sowie einer wertvollen historischen Ikone im Gesamtumfang von knappt Fr. 100'000.-- wurden ihm zur Last gelegt. Etwas aus der Art schlug der Vorwurf, dass Andres für einen Ghostwriter Fr. 40'000.-- ausgegeben habe, um damit zu kaschieren, dass er nicht selber Reden schreiben konnte.

Das schwerste Geschütz war aber der Vorwurf, dass Andres im Zusammenhang mit dem Bau einer Lagerhalle im Bündnerland von der HGC anstelle der offerierten Fr. 345'000.-- insgesamt Fr. 591'000.-- an die Baufirma bezahlen liess. Die Differenz von Fr. 150'000.-- liess er sich anschliessend von dieser zurückzahlen und behielt sie für sich. 

Als wäre dem nicht schon genug, liess Andres auch noch zulasten verschiedener Aufwandkonti der HGC teils fiktive und teils überhöht fakturierte Rechnungen im Umfang von Fr. 120'000.-- verdeckt verbuchen und bezahlen. Diese Rechnungen waren von einem Bekannten von Andres ausgestellt worden, der anschliessend die Hälfte des Betrags an diesen zurückbezahlte (dieser Bekannte, der ausserhalb der HGC geschäftete, war übrigens die einzige Person neben Andres, welche am Ende der Strafuntersuchung, die laut dem Gerichtsurteil des Zürcher Obergerichts am 31. Oktober 1988 ihren Abschluss fand, unter Anklage gestellt wurde).

Die von der Staatsanwaltschaft eingeklagte Deliktsumme durch Veruntreuung belief sich schliesslich gesamthaft auf gerundet Fr. 585'000.--. Wäre der scheidende Geschäftsführer der HUB früher an seiner Krankheit gestorben und hätte Andres die Leistungen, die der Ghostwriter für ihn erbracht hatte, selbst geleistet, so wäre der Deliktsbetrag noch höher gewesen, nämlich Fr. 660'000.--. Dieser Betrag wurde auch eingeklagt. Aus heutiger Sicht spannend ist, dass dieser Betrag inflationsbereinigt heute einer Kaufkraft von über Fr. 1'100'000.-- entspräche...

Die weiteren Delikte

Gleichzeitig wurde Andres vorgeworfen, dass er auf diversen Quittungen mit unterschiedlichen Absendern Beträge abgeändert oder mit Fantasienamen und nachgemachten Unterschriften sowie fiktivem Inhalt versehen habe. Anschliessend habe er diese Quittungen von der HGC verbuchen lassen und sie so um Fr. 26'000.-- geschädigt. Noch schwerer wog allerdings der Umstand, dass er nicht nur Quittungen fälschte, sondern auch Urkunden vernichtete, die Bestandteil der Buchhaltung der HGC bildeten: So soll Andres alle Belege der Direktionskasse der Jahre 1979 bis 1982 vernichtet haben, um eine Rekonstruktion der ihm zur Last gelegten Verfehlungen zu verunmöglichen. 

Der letzte Anklagepunkt betraf ein Verkehrsdelikt, das mehr als zwei Jahre nach seinem Ausscheiden aus der HGC geschah und nichts mit der HGC zu tun hatte.

Die Verteidigung

So genau die Staatsanwaltschaft die Delikte und die Schadenssumme aufgelistet hatte, so schwierig war es für sie, Andres die Veruntreuungen zu beweisen. Die Vernichtung der Einzelbelege aus den Jahren 1979 bis 1982 hatte dazu geführt, dass wohl nur die Spitze des Eisberges überhaupt zur Anklage gelangte. Darüber hinaus erachtete das Obergericht aus prozessualen Gründen nur einen kleinen Teil der eingeklagten Fälle als erwiesen, da sie der Angeklagte in der Untersuchung selbst zugegeben hatte.

Was den Vorwurf der Urkundenfälschung betraf, so konnte Andres bei den offensichtlich gefälschten Quittungen nur ein Teil davon mittels graphologischer Gutachten nachgewiesen werden. Da er während der gesamten Untersuchung nicht geständig war (oder nur dort, wo man ihm ein Delikt zweifelsfrei nachweisen konnte), galt auch in diesen Fällen die Unschuldsvermutung. Trotzdem wurde er in Bezug auf die falschen Quittungen aufgrund der erdrückenden Indizien vollumfänglich schuldig gesprochen. 

Den Vorwurf, dass er durch seine Delikte die Buchhaltung der HGC verfälscht habe (also auch hier eine Urkundenfälschung begangen habe), focht Andres an. Zwar war offensichtlich, dass er durch seine Diamanten-, Teppich- und Bilderkäufe, aber auch durch die Bezahlung der überteuerten Lagerhalle und selbst durch die Honorare an seinen Ghostwriter die Bücher der HGC aus der Ordnung gebracht hatte. Doch noch in der Schlusseinvernahme verneinte Andres, durch seine Delikte eine Verfälschung der Buchhaltung beabsichtigt zu haben.

Dennoch wurde er schliesslich auch in dieser Frage grossmehrheitlich schuldig gesprochen, da ihm der Vorsatz nur in einem Punkt abgesprochen werden konnte, und zwar bei der Abgangsentschädigung für den scheidenden Direktor der HUB. Die Abgangsentschädigung an sich war für das Gericht nicht unrechtmässig gewesen. Und der Vorsatz, dem HUB-Direktor dadurch eine Steuerhinterziehung ermöglichen zu wollen, wurde aufgrund einer neuen Rechtsprechung nicht geahndet.

Die Vernichtung der Direktionskassenbelege und damit den Straftatbestand der Unterdrückung von Urkunden bestritt Andres zwar nicht, aber er machte geltend, dass sein Vorgänger (Lang) ihn instruiert habe, dass diese Belege nach der Revision nicht mehr von Bedeutung seien und deshalb vernichtet werden könnten. Damit kam er nicht durch, da Lang zu seiner Direktionszeit stets seiner Aufbewahrungspflicht nachgekommen war und 1984 die Belege der Direktionskasse aus den Jahren 1974 bis 1976 noch im Archiv der HGC lagerten.

Auch Andres' zweite Schutzbehauptung, dass ihm der Revisor gestattet habe, die Belege zu vernichten, stiess auf taube Ohren. In diesem Punkt erkannte das Gericht aufgrund der Zerstörung der Belege der Direktionskasse über mehrere Jahre hinweg sogar auf eine fortgesetzte Tatbegehung.

Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass Andres in Bezug auf das Verkehrsdelikt freigesprochen wurde. Die Untersuchungsbehörden hatten es versäumt, ein Gutachten zu erstellen, das vor Gericht weitere Klarheit hätte schaffen können.

Fortsetzung folgt...

Die Akten sind zu umfangreich, um hier schon zum Abschluss zu kommen. Und die Zeit, die uns dafür zur Verfügung stand, war zu knapp bemessen, um heute bereits ans Ende der Geschichte zu gelangen.

Wer an dieser Stelle eine Abkürzung machen will, der oder die sei auf den Zeitungsartikel verwiesen, der am 27. Januar 1990 im Anschluss an die Verhandlung gegen Andres vor dem Zürcher Obergericht im Tages-Anzeiger erschien. Dieser Artikel bringt sehr gut auf den (verkürzten) Punkt, wie der Fall seinen Abschluss fand. Wer, wie der Autor, an Details interessiert, ist, kann sich gerne noch etwas gedulden. Denn dieser Artikel wird bis Ende Jahr noch um die folgenden Themen ausgeweitet:

  • Die Rolle der bis 1981 amtierenden Direktion
  • Die Rolle des bis 1984 amtierenden Direktion
  • Die Rolle der übrigen Verwaltungsmitglieder
  • Zivilrechtliche Ansprüche
  • Moralisch-ethische Ansprüche
  • Die Verlierer des Skandals
  • Die Gewinner des Skandals

Wir können Ihnen versichern, es bleibt spannend (auch wenn Sie den Ausgang des Verfahrens bereits jetzt im Tagi-Artikel nachlesen wollen...).