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Epilog

Das letzte Wort

Der ungetreue HG-Direktor fand gnädige Richter

Der Hauptverantwortliche des 1984 aufgeflogenen Millionenskandals in der Handelsgenossenschaft des Schweizerischen Baumeisterverbandes (HG) fand milde Richter. Die I. Strafkammer des Obergerichts verurteilte den ehemaligen HG-Direktor K. A. diese Woche zu einer bedingten Gefängnisstrafe von 18 Monaten wegen wiederholter und fortgesetzter Veruntreuung und Urkundenfälschung. Der heute 52jährige Ingenieur HTL hatte als HG­Direktor zwischen 1978 und 1984 über 300 000 Franken veruntreut sowie Buchhaltung und Belege gefälscht. «Da herrschte Sumpf und Morast», rügten die Richter.

Von Danni Härry

Der ehemalige Direktor der Handelsgenossenschaft des Schweizerischen Baumeisterverbandes (HG) muss seine Strafe nicht absitzen. Mit 18 Monaten Gefängnis ermöglichte die L Strafkammer des Obergerichts K. A. gerade noch den bedingten Aufschub des Strafvollzugs. «Nur mit sehr viel Mühe» entschied sich das Gericht für eine bedingt erlassene Gefängnisstrafe; die «hohe Strafempfindlichkeit» des heute 52jährigen Familienvaters hat die Richter schliesslich zur Milde bewogen. K. A. hat inzwischen wieder eine Stelle gefunden als Assistent des Geschäftsleiters. Vor allem der berufliche Wiedereinstieg nach vollzogener Gefängnisstrafe wäre angesichts von K. A.s Alter nicht leichtgefallen. Der verschlossen wirkende Angeklagte – K. A. hatte die mehrjährige Strafuntersuchung mit hartnäckigem Leugnen und immer neuen Lügengeschichten massiv erschwert – bedankte sich nach dem Urteilsspruch für die richterliche Milde: Damit hatte er nach all seinen Taten nicht rechnen dürfen.

Allmächtiger Direktor eines 500-Millionen-Unternehmens

Die Handelsgenossenschaft des Schweizerischen Baumeisterverbandes beliefert als Einkaufsorganisation der Bauunternehmer gegen dreitausend angeschlossene Genossenschafter mit Baumaterialien. K. A. war 1978 zum alleinigen Direktor des 500-Millionen-Unternehmens ernannt worden – der ehemalige Maschinenschlosser, der sich am Abendtechnikum zum Maschineningenieur HTL weiterbildete, hatte sich mit einem gefälschten Hochbau-Techniker-­Diplom um den Posten beworben. «Damit hatte ich mehr Chancen», erklärte K. A. den Richtern. In der Tat wunderten sich damals auch seine Freunde, «dass der diesen Posten bekam», wie sie sich heute erinnern.

Als alleiniger Direktor verfügte K. A. nach seiner Wahl innerhalb der HG über praktisch uneingeschränkte Befugnisse. Entsprechend gross war auch das Salär: 210'000 Franken Jahreslohn und 40'000 Franken Pauschalspesen – «eigentlich auch Lohn, der lediglich aus steuerlichen Gründen als Spesen deklariert war», wie K. A. vor Gericht klarstellte.

Der Griff in die Direktionskasse

Für reale Spesenausgaben stand dem Direktor die HG-Hauptkasse offen. Insbesondere verfügte er auch über eine eigene «Direktionskasse», aus der er ohne Visum und Kontrolle Geld entnehmen konnte. Schon bald nach seinem Amtsantritt begann K. A., auch private Rechnungen aus dieser Kasse zu begleichen.

«Ich gebe zu, dass ich da gewisse Beträge herausgenommen habe, sagt er heute und fügt zur Begründung an, er habe sich als Direktor «so stark mit dem Unternehmen identifiziert, dass ich nicht mehr zwischen ‹Mein› und ‹Dein› unterschieden habe». Wieviel Geld K. A. zwischen 1978 und seiner Entlassung 1984 von «Dein» zu «Mein» gemacht hatte, steht nicht fest Nach Schätzungen des Gerichtes dürfte er aber über 100'000 Franken unrechtmässig aus der Direktionskasse entnommen haben.

Von Helikopterflügen, Gemälden und goldenen Damenuhren

Nicht nur mit der Direktionskasse nahm es der Direktor, der die Sektionsmitglieder in der Provinz mit dem Helikopter zu besuchen pflegte, nicht so genau. Als anlässlich eines «Umsatzjubiläums» alle HG-Kadermitglieder mit einem 11'000-Franken-Diamanten beschenkt wurden, nahm K. A, einen Diamanten für sich und beehrte die Gattin gleich noch mit einer Damen-Goldarmbanduhr im gleichen Wert – bezahlt aus dem selben «Jubiläumsbudget». Die Miete für eine private Ferienwohnung beglich er mit Geschäftsgeldern, und auch vier Bilder des Kunstmalers Alois Carigiet für sich und seine Töchter wurden aus dem Warenaufwandkonto der HG bezahlt.

Im Sommer 1982 erwarb der Direktor aus der Geschäftskasse auch diverse Teppiche sowie eine Ikone, welche nach der Entlassung 1984 in K. A.s Privatvilla gefunden wurden. Auch beim Bau einer HG-Lagerhalle profitierte er mit: Die Offerte der berücksichtigten Stahlbaufirma hatte sich auf 345'000 Franken belaufen. Die HG bezahlte dann allerdings 591'000 Franken – vom Differenzbetrag liess sich K. A. 150'000 in den eigenen Sack auszahlen. Schliesslich liess er während seiner Direktorenzeit von einem «Geschäftspartner» auch wiederholt fiktive oder überhöht fakturierte Rechnungen zu Lasten der HG erstellen und kassierte das Geld. Insgesamt dürfte sich der Deliktsbetrag dieser wiederholten und fortgesetzten Veruntreuung laut Gericht auf über 300'000 Franken belaufen.

Um seine ungetreue Geschäftsführung zu tarnen, verbuchte K. A. die unlauteren Bezüge mit wahrheitswidrigen Angaben und unter dem falschen Konto; so wurde die Geschäftsbuchhaltung verfälscht. Zudem manipulierte der Direktor auch eigenhändig Quittungen, um seine unrechtmässigen Bezüge aus der Direktionskasse zu kaschieren, und machte sich so auch der wiederholten und fortgesetzten Urkundenfälschung schuldig.

Dass er Belege und Saldoaufstellungen der Direktionskasse unerlaubterweise vernichtete, trug K. A. schliesslich auch noch eine Verurteilung wegen fortgesetzter Unterdrückung von Urkunden ein.

Weshalb der Familienvater und Oberstleutnant der Armee während rund sechs Jahren diese Vielzahl von Delikten begangen hat, weiss K. A. noch heute nicht recht: «Ich bin da hineingeschlittert». sagte er vor Gericht, «es hat sich einfach so ergeben (...) ich habe das Geld einfach genommen.» Eine Bereicherungsabsicht habe nicht bestanden, beteuert der damals gutbezahlte Ingenieur, der noch heute eine Villa in der Nähe von Zürich besitzt und ein Ferienhaus im Bündnerland sowie ein luxuriöses Motorboot auf dem Vierwaldstättersee. Als Geschäftsleiter-Assistent verdient K A. mit 140'000 Franken jährlich auch heute nicht schlecht.

Der Schaden für die HG: rund zehn Millionen Franken

Mit der Entlassung des Direktors im April 1984 platzte bei der HG ein Millionenskandal. An der tumultuösen Generalversammlung im Juni weigerten sich die Genossenschafter, die Jahresrechnung zu genehmigen, und verweigerten den Aufsichtsorganen die Decharge. Allgemein war die Verwunderung  gross, dass der ungetreue Direktor über Jahre hatte misswirtschaften können, ohne dass Verwaltung und Treuhandstelle reagiert hätten. Die Genossenschafter verlangten detaillierte Aufklärung, und die ausserodentliche Generalversammlung brachte es im Dezember 1984 dann an den Tag: Rund zehn Millionen Franken hatten die Geschäftspraktiken von K. A. und die Unaufmerksamkeit der zuständigen Organe die HG gekostet.

Auch die I. Strafkammer des Obergerichts verschonte diese Woche die HG-Vrantwortlichen nicht mit Kritik: Es mache den Anschein – drückten sich die Richter vorsichtig aus –, dass damals in der Branche «eigentliche Schmiergeldaktionen» verbreitet gewesen seien und sich an der HG-Spitze «einige Personen Zuwendungen verschafften, von den andere nichts wissen sollten». «Es herrschte Sumpf und Morast», befand das Gericht.

Quelle: Abschrift eines Artikels von Danni Härry, der am 27. Januar 1990 im Tages-Anzeiger erschien. Die Zwischentitel wurden aus Gründen der Lesbarkeit von der Redaktion dieser Publikation gesetzt.