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Editorial

Ein Jubiläum endet...

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Epilog

Das letzte Wort

Umbauen statt Abreissen

Altes durch Neues zu ersetzen, ist bequem – und oft günstiger als eine Aufbereitung. Das gilt auch bei Häusern. Doch der Umwelt zuliebe fordern Experten ein Umdenken.

Von Melissa Müller (Text) und Martin Zeller (Bilder)

Die Schweiz produziert rund 17 Millionen Tonnen Bauschutt pro Jahr – Tendenz steigend. Das ist auf eine zunehmende Abrisskultur und vermehrtes Bauen zurückzuführen. Doch wieso sind wir Weltmeister im Abreissen?

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Ein alter Industriebau in Winterthur und was daraus werden kann.

Gemäss Guillaume Habert (45), Professor für Nachhaltiges Bauen an der ETH Zürich, ist der Grund meist wirtschaftlich: «Das Ziel ist, mehrere und grössere Wohnungen auf weniger Land zu bauen.» Durch den Abriss entsteht eine weisse Leinwand, auf der beliebig neu gebaut werden kann.

Bei einem Neubau sind dem Grundriss kaum Grenzen gesetzt. Und Risiken und Arbeitskosten sind geringer. Habert: «Technische Teile wie Kabel oder Rohre zu erneuern, setzt spezialisierte Arbeitskräfte voraus. Die kosten Geld.»

Höchste Zeit, umzudenken – dem Klima zuliebe. Das findet jedenfalls Daniel Kellenberger, Umweltingenieur und Professor für Nachhaltiges Bauen an der Fachhochschule Nordwestschweiz.

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Der Aufbau der neuen Fassade besteht aus gebrauchtem Wellblech, bereits verwendeten Fenstern, einer einfachen Holzkonstruktion sowie dem traditionellen Dämmmaterial Stroh.

Da Sanierungen weniger CO2 freisetzen als Neubauten, schlägt er vor: «Bei öffentlichen Wettbewerben auf bebauten Grundstücken sollten jeweils zwei Projektvarianten eingefordert werden: ein Neubau und ein Umbau.

Für beide sollten die CO2-Emissionen abgeschätzt werden. Nur wenn der Neubau weniger Emissionen verursacht, darf dieser einem Umbau vorgezogen werden.»

Dies müsse mit einem Umdenken der Bauindustrie einhergehen: «Um- und Ausbauen sollten bei Architektinnen und Architekten tiefer verankert sein. Wir sollten weniger neu bauen und möglichst recycelbare Materialien benutzen.»

Dieser Meinung schliesst sich Habert an. Er fordert gleichzeitig mehr Offenheit für neue Baumaterialien.

«Natürliche Materialien wie Stroh oder Bambus bergen ein grosses Potenzial für nachhaltiges Bauen, denn sie wachsen schnell, lassen sich lokal anbauen und hinterlassen einen geringen CO2-Abdruck.»

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Die Recherche für die erneut zu verwendenden Materialien gleicht zuweilen der Suche nach einer Nadel im Heuhaufen.

Beton aus Urban Mining

Auch beim Beton gibt es nachhaltigere Alternativen. Beispiel: Urban Mining. Dabei wird aus dem Abrissmaterial alter Häuser neuer Beton gewonnen, indem Bauschutt aufgewertet und mit neuem Zement angereichert wird.

«Dieser Sekundärbeton spart Ressourcen und kann dank chemischer Prozesse 10 kg CO2 pro Kubikmeter Beton speichern», sagt Patrick Eberhard (35), Geschäftsführer der zirkulit AG. Diese hat einen solchen Beton entwickelt. 

«Gerade im Bau ist das Thema Kreislaufwirtschaft zentral. Denn aus diesem Bereich stammt der grösste Abfallstrom», so der Fachmann. Den Fokus vermehrt auf die Wiederverwertung alter Baumaterialien zu legen, findet er daher äusserst wichtig.

Vorreiterin ist da die Stadt Zürich, die seit 20 Jahren nur recycelten Beton verarbeitet. Jedoch besteht eine Herausforderung: «Es gibt keinen direkten wirtschaftlichen Nutzen», so Eberhard. Und weil der finanzielle Anreiz fehlt, wird meist weiterhin Neubeton verbaut. Dabei könnte die Schweiz laut dem zirkulit-Experten im Betonabbruch rund 50'000 Tonnen CO2 pro Jahr speichern.

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Der aufgestockte Gebäudeteil wurde mit bereits verwendeten Industriefassaden verkleidet.

Mehr Offenheit für alternative Materialien

Daniel Kellenberger findet, dass die Bauindustrie offener gegenüber alternativen Baumaterialien sein sollte: «Das Bauwesen möchte keine Risiken eingehen. Bei grünen Baustoffen oder Bauarten gibt es oft nicht genug Erfahrungswerte. Dem Klima zuliebe müsste die Risikobereitschaft allerdings höher werden.»

Ein Weg, um alternative Materialien und Sanierungen attraktiver zu gestalten, könnten Gesetze und Subventionen sein, die nachhaltiges Bauen sowohl fordern als auch fördern. Denn dadurch wird der bislang fehlende finanzielle Anreiz geschaffen.

Gleichzeitig braucht es für eine nachhaltige Baukultur aber auch ein Umdenken vonseiten der Architektinnen und Architekten und Auftraggebenden. Neben Ästhetik und Funktionalität sollte bei der Planung eines Bauprojekts auch Nachhaltigkeit weit oben auf der Prioritätenliste stehen.

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Auslegeordnung: Die bereits einmal verwendeten Fenster werden für die Montage vorbereitet.

Zahlen & Fakten zum Thema

  • 17 Millionen Tonnen Bauschutt fallen in der Schweiz jährlich an, Strassenbau inklusive. Das verursacht den grössten Abfallstrom in unserem Land;

  • 910 Kilogramm Abfall pro Person und Jahr stammen bei uns schätzungsweise von abgerissenen Gebäuden;

  • 2 Projektpläne braucht es von Architektinnen und Architekten in Wettbewerben und für mehr Nachhaltigkeit: einen für den Neubau und einen für den Umbau;

  • 50'000 Tonnen CO2 könnte die Schweiz pro Jahr mit Recycling-Beton speichern;

  • 500 Tonnen CO2 wurden beim K.118 in Winterthur ZH eingespart, weil Altes wiederverwendet wurde. Etwa die Aussentreppe des abgerissenen Zürcher Bürogebäudes Orion.
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Die Aussentreppe war zuvor in einem Zürcher Bürogebäude verbaut gewesen.

Das Buch

9783038602590 Bauteile Wiederverwenden Cover1

Bauteile wiederverwenden
Ein Kompendium zum zirkulären Bauen

Das Bauen mit wiederverwendeten Bauteilen ist derzeit eines der meistbeachteten Phänomene der europäischen Architekturdiskussion. Wenn Bauelemente, die noch jahrzehntelang halten, nicht zerstört, sondern für neue Bauten wiederverwendet werden, spart das nicht nur Ressourcen. Es reduziert auch drastisch den Energieverbrauch und die Treibhausgasemissionen in der Erstellungsphase von Bauten. Dieses sogenannte zirkuläre Bauen bringt eine Vielzahl ganz unterschiedlicher Fragen mit sich – von technischen und energetischen bis hin zu rechtlichen Aspekten. Dies gilt in der Gegenwart noch vermehrt, obwohl das Phänomen selbst auf eine uralte Traditionslinie zurückblickt – schon vor Jahrtausenden wurden verfallende Bauten für neue Bautätigkeit ausgeschlachtet.

Dieses Buch bietet ein umfassendes Kompendium, das allen Fragen zur Wiederverwendung von Bauteilen im Detail nach­geht. Sie werden anhand eines konkreten Beispiels durchgespielt: der Kopfbau K 118 auf dem Winterthurer Lagerplatz, das bislang grösste Gebäude der Schweiz, das mehrheitlich aus wiederverwendeten Bauteilen besteht. Seit 2018 wird dieses einmalige Pilotprojekt im Rahmen eines interdisziplinären Forschungsprojekts hinsichtlich architektonisch-konstruktiver, energetischer, ökonomischer, prozessualer und rechtlicher Fragen ausgewertet. Alle Ergebnisse sind in diesem Buch versammelt und inhaltlich wie visuell auf höchst anschauliche Weise aufbereitet.

Hrsg. IKE Institut Konstruktives Entwerfen, ZHAW Departement Architektur, Eva Stricker, Guido Brandi, Andreas Sonderegger, Baubüro in Situ AG, Zirkular GmbH, Marc Angst, Barbara Buser, Michel Massmünster

2021
Gebunden
344 Seiten
401 farbige und 54 s/w-Abbildungen
21.5 x 28.5 cm
ISBN 978-3-03860-259-0

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Stimmen zum Buch

«Wie das K118 von in situ baubüro gedacht und gemacht wurde, welche Vorbilder es in der Baugeschichte hat, wie man das Bauen mit neuen oder gebrauchten Teilen bewerten kann, das alles findet sich in diesem Buch, das ein hervorragend brauchbares, weil mit Anschauungsmaterial gestopft volles Arbeits- und Argumentationsbuch ist. Wer es studiert hat, wird anders denken; können, müssen!»

Benedikt Kraft, DBZ Deutsche Bauzeitschrift

«Das Buch richtet sich an Architektinnen, Bauherren oder Unternehmerinnen und dient – zurzeit wohl alternativlos – als Nachschlagewerk für beginnende Wiederverwender.»

Julia Hemmerling, Hochparterre

«Besser geht es nicht!»

Dieter-J. Mehlhorn, Deutsches Architektenblatt