Biophilic-Design ist schnell erklärt: Die Natur in ihrer Evolution beobachten und dann genau das beim Bauen nachmachen.
Von Wilma Fasola
Aufnahme des Eastgate Centre in Harare (Simbabwe), dessen Innenhof einem Termitenhügel nachgebildet ist (Bild: Getty Images).
Biophilic-Design ist ein innovativer architektonischer Ansatz, bei dem die Natur als Vorbild für Strukturen und Systeme von Gebäuden fungiert. Darauf aufbauend hat zum Beispiel der Architekt Mick Pearce in Zusammenarbeit mit Arup Engineers das Eastgate Centre in seinem Heimatort Harare, Simbabwe, konzipiert. Dieses ist nicht nur äusserlich ein Designwunder, sondern auch in seiner inneren Struktur bislang einzigartig. Die passive Klimatisierungstechnik des Gebäudes wurde vom Bau afrikanischer Termitenhügel abgeleitet und reduziert so den Energieverbrauch der Heizung wie auch der Kühlung massgeblich – im Vergleich mit anderen Gebäuden in der direkten Umgebung um teilweise bis zu 50 Prozent.
Die Idee dazu kam dem simbabwischen Architekten – so verriet er es einmal in einem Interview mit der «Süddeutschen Zeitung» –, als ihm seine Tochter einen Link zu einer Naturdokumentation der BBC schickte. Darin ging es darum, dass Termiten die Innentemperatur in ihren Hügeln durch ausgeklügelte Systeme der Belüftung und Kühlung konstant halten, egal, welchen thermischen Schwankungen der Aussenbereich ausgesetzt ist.
Die Körperlänge von Termiten beträgt je nach Art zwischen zwei und zwanzig Millimetern. Einzelne Gattungen sind noch etwas grösser.
Dieses System hat Mick Pearce im Eastgate Centre nachgebaut. In der Nacht wird die kühle nächtliche Luft mittels Ventilatoren und entsprechender Kanalsysteme durch das Gebäude geblasen, wobei vor allem der Boden ausgekühlt wird. Dieser kann dann am Tag die Wärme absorbieren. Am Abend beginnt der Kreislauf von vorn.
Die Natur als Vorbild
Biophilic-Design hat in seinen Grundzügen viel mit Biomimikry zu tun: Über Jahrmillionen hat die Natur bewiesen, dass sie anpassungsfähig und innovativ ist; sie hat die wirklichen Lösungen gefunden, wenn es um die Herausforderungen des Überlebens geht. Und das inspiriert immer mehr Architektinnen und Designer. Gerade auch deshalb, weil nachhaltige Funktionalität immer relevanter wird. «Statt Formen aus der Natur zu kopieren, schaut man verstärkt auf die Prozesse», fasst Mick Pearce diese Entwicklung im angesprochenen Interview zusammen.
Es geht darum, natürliche Formen, Materialien und nun verstärkt auch Systeme in die Architektur zu integrieren. Immer mit den Zielen, die Umweltbilanz von Gebäuden zu verbessern, aber auch das Wohlbefinden der Bewohnerinnen und Bewohner zu steigern.
Die Natur ist ein Ökosystem mit eigenen Gesetzmässigkeiten, und die Menschen verstehen immer besser, dass sie Teil dieses Systems sind und sich anpassen müssen.
Ausgeklügelte Belüftungssysteme sorgen für konstante Temperaturen im Innern von Termitenhügeln.
Veränderung ist Zukunft
Der Zugang zu natürlichem Licht ist ein weiteres zentrales Element des Biophilic-Designs. Gebäude, die viel Tageslicht einlassen, fördern nicht nur die Energieeinsparung, sondern auch das Wohlbefinden und die Produktivität der Menschen. Studien haben gezeigt, dass natürlicher Lichteinfall das persönliche Gefühl und die Konzentration verbessert und sogar die Heilungsprozesse in Krankenhäusern beschleunigen kann. Und darüber ärgert sich Mick Pearce bis heute, da es in seiner Wahrnehmung zu wenig Fenster im Eastgate Centre gibt.
Der Grund: Man hatte Angst vor der Wärmestrahlung. Aber wie in der Natur war auch das ein Lernprozess für die Beteiligten. Die Hersteller von Produkten in der Glasindustrie waren lernfähig, und gute Architektinnen und Architekten sind es auch. Natürliche Materialien wie Lehm und Bambus sind zwar eher unkonventionell, haben aber seit Jahrtausenden ihre Zuverlässigkeit bewiesen. Doch auch bestehende Materialien erleben einen Wandel, und den gilt es auch beim Bau mitzugehen.
Verglichen mit ihrer Körpergrösse sind die Hügel der Termiten gigantische Wolkenkratzer.