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Autofreier Sonntag 1973 (1)

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Epilog

Das letzte Wort

Die Zeit der grossen Umwälzungen

Zwischen 1960 und 1979 vergrössert sich der Graben zwischen Ost und West immer mehr. In Berlin wird mitten in der Stadt eine unüberwindbare Mauer hochgezogen und schliesst die letzte Lücke des «Eisernen Vorhangs» zwischen den ost- und westeuropäischen Ländern. In Kuba droht zum ersten Mal ein Atomkrieg zwischen zwei Grossmächten, der erst im letzten Moment vermieden werden kann. Und in Vietnam schliesslich entlädt sich die Spannung ab Mitte der 1960er Jahre in einem hässlichen Stellvertreterkrieg, der zu unermesslichem Leid der Zivilbevölkerung führt und 1975 in eine krachende Niederlage der Amerikaner mündet. Trotz all dieser Turbulenzen erlebt der kapitalistische Westen eine einmalige wirtschaftliche Hochblüte, und auch der Ostblock entwickelt sich trotz seiner staatlich gelenkten Planwirtschaft in dieser Phase (noch) erstaunlich gut.

In Europa führen die ideologischen Auseinandersetzungen zwischen den USA und der Sowjetunion gleich zu Beginn des behandelten Zeitraums von 1960 bis 1979 zum Bau der Berliner Mauer, welche die letzte Lücke des «Eisernen Vorhangs» zwischen dem Ostblock und dem Westen schliesst (ab 1960 gilt in Fällen von «ungesetzlichen Grenzübertritten» entlang der gesamten Grenze ein Schiessbefehl).

Auch in Kuba spitzt sich 1962 die Konfrontation zwischen den Blöcken noch einmal zu: Als ein stümperhafter Umsturzversuch durch von der CIA unterstützte Exil-Kubaner gegen Fidel Castro 1961 kläglich scheitert, stationiert Russland zur Abschreckung im Oktober 1962 mehrere Mittelstreckenraketen auf der Karibikinsel, die mit atomaren Sprengköpfen bestückt werden können (oder es bereits sind). Das wollen sich die USA in ihrem eigenen «Hinterhof» nicht gefallen lassen, was in der Folge beinahe zu einem atomaren Schlagabtausch führt.

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Als die Sowjetunion 1962 in Kuba mit Atomsprengköpfen bewehrte Lenkwaffen stationiert, kommt es um ein Haar zu einem atomaren Schlagabtausch zwischen den Grossmächten.

Der Widerstreit der Systeme hat selbst Auswirkungen bis ins All: In technologischer Hinsicht beginnt dort ein ehrgeiziger Wettkampf um die Eroberung des Weltraums, bei dem die UdSSR zunächst mit ihren Sputnik-Satelliten die Nase vorn hat. Das milliardenschwere Apollo-Projekt der Vereinigten Staaten von Amerika, das von John F. Kennedy noch vor seiner Ermordung angestossen wird, führt schliesslich zur ersten bemannten Mondlandung, die 1969 live weltweit im TV übertragen wird.

Vietnam ein Krieg gegen die Zivilbevölkerung

In Asien wird der Kalte Krieg in Vietnam zu einem mit aller Härte geführten Stellvertreterkrieg zwischen dem sozialistischen und dem kapitalistischen Lager. Da die bisherige Kolonialmacht Frankreich im Bürgerkrieg zwischen den Nord- und Südvietnamesen die Kontrolle verliert, tritt die USA zunächst im Geheimen und ab 1964 offen als Kriegspartei für den Süden auf und führt einen erbarmungslosen Krieg gegen Nordvietnam, der Ende April 1975 mit der Einnahme der südvietnamesischen Hauptstadt Saigon (die heutige Ho-Chi-Minh-Stadt) durch die Vietcongs endet.

Das grausame Vorgehen gegen die Zivilbevölkerung, bei dem Bauern mit Guerilla-Kämpfern gleichgesetzt werden, Flächenbombardements von bewohnten Gebieten an der Tagesordnung sind, in sogenannten «Free-Fire-Zones» Zivilisten – auch Alte, Frauen und Kinder – wahllos getötet werden und im ganzen Land chemische Kampfmittel zum Einsatz kommen, wendet sich die amerikanische und westliche Öffentlichkeit immer stärker gegen den Vietnam-Krieg. Es kommt zu riesigen Antikriegs-Demonstrationen, an denen Kriegsgegner, Bürgerrechtler und auch Hollywood-Stars teilnehmen.

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Die Terrorisierung und gezielte Ermordung von Zivilisten ist nur eines von mehreren Mitteln, mit denen die USA Vietnam «in die Steinzeit zurückbomben» wollen, wie es ein US-General damals zynisch ausdrückt.

Viele wehrpflichtige Amerikaner aus der Mittel- und Oberschicht entziehen sich der Einberufung durch Auswanderung nach Kanada und Schweden. Die Unterschicht, die überproportional eingezogen wird, verspricht sich anfänglich von einer Kriegsteilnahme noch einen sozialen und beruflichen Aufstieg. Doch mit dem Aufkommen der Black-Power-Bewegung verweigern auch immer mehr Afroamerikaner den Wehrdienst.

Die Aufhebung der Rassentrennung in den USA

Die Ermordung von Präsident John F. Kennedy im Jahr 1963 hat längst gezeigt, wie zerrissen das Land ist. Der demokratische Hoffnungsträger stand für eine Zukunft, in der alle Amerikaner auch in der Praxis die gleichen Rechte haben sollen. Bereits 1954 ist die Rassentrennung vom Supreme Court für verfassungswidrig erklärt worden. Präsident Lyndon B. Johnson unterzeichnet zudem 1964 das bedeutendste amerikanische Bundesgesetz zur Gleichstellung ethnischer Minderheiten, die sogenannte Civil Rights Act.

Dieses Gesetz verbietet seither in öffentlichen Einrichtungen, in der Regierung und in der Arbeitswelt die Diskriminierung in Bezug auf Rasse, Hautfarbe, Religion, Geschlecht und nationale Herkunft. Dennoch ist man Mitte der 1960er-Jahre noch meilenweit von einer Gleichberechtigung der Minderheiten und insbesondere der indigenen und afroamerikanischen Bevölkerung entfernt.

Vor allem in den konservativen Südstaaten hat sich erbitterter Widerstand formiert. In einem Klima der Angst und des Hasses werden führende Vertreter der Bürgerrechts- und Black-Power-Bewegung wie Martin Luther King und Malcolm X ermordet. Auch der liberale Demokrat Robert Kennedy, Bruder des ermordeten Präsidenten, fällt einem Attentat zum Opfer.

1968

All diese Turbulenzen haben auch Auswirkungen auf die weiteren Industrienationen: Aus den Protesten gegen den Krieg, gegen lähmenden Konservatismus und weitere Formen von staatlicher oder reaktionärer Unterdrückung entsteht eine lose, aber auch länderübergreifende Studentenbewegung.

Die «1968er», wie sie später genannt werden, begehren in Frankreich, Deutschland und Japan gegen die alten Eliten auf und verlangen endlich eine ernsthafte Aufarbeitung der eigenen Geschichte und der Gräueltaten im Zweiten Weltkrieg. Sinnbildlich für diese Forderung steht eine schallende Ohrfeige, die eine junge Journalistin dem neugewählten deutschen Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger 1966 in aller Öffentlichkeit gibt. Ihre Begründung für den Schlag ist so lapidar wir klar: Sie hätten es alle satt, dass «dort oben» ein Nazi sitze.

Während viele Forderungen der Studentenbewegung in den sich öffnenden westlichen Gesellschaften ab den 1970er-Jahren Widerhall finden oder in der Tagespolitik verhandelt werden, verlegt sich eine radikale Minderheit auf den gewaltsamen Kampf gegen den Staat und seine Vertreter und taucht ab in den Untergrund.

Die Blutspur des Terrorismus

In Deutschland und Italien werden schliesslich führende Wirtschaftsfunktionäre und Politiker der Rechten entführt und ermordet, so auch 1977 der deutsche Arbeitgeberpräsident Hans-Martin Schleyer durch die zweite Generation der Rote Armee Fraktion RAF und 1978 der frühere italienische Ministerpräsident Aldo Moro durch die Brigate Rosse.

Bereits Jahre zuvor verüben Kämpfer der Palästinensischen Befreiungsorganisation PLO einen Terroranschlag auf die 14-köpfige israelische Sportler-Delegation bei der Sommerolympiade 1972. Nachdem bereits bei der Geiselnahme zwei Sportler von den Terroristen getötet werden, kommen bei dem Befreiungsversuch durch deutsche Polizeieinheiten, der komplett aus dem Ruder läuft, weitere neun Geiseln, ein Polizist sowie fünf der acht Geiselnehmer ums Leben.

Schon vorher ist auch die Schweiz ins Visier der PLO geraten, als diese mehrere Anschläge auf Flugzeuge von unterschiedlichen (westlichen) Fluggesellschaften verübte, darunter auch zwei Maschinen der Swissair:

Arafat In Jordan

Jassir Arafat auf einer Aufnahme aus dem Jahr 1970 in Amman (Jordanien) zusammen mit Nayef Hawatmeh and Kamal Nasser. Die von ihm befehligte Palästinensische Befreiungsorganisation PLO bringt 1972 drei westliche Linienflugzeuge, darunter eine DC-8 der Swissair, in ihre Gewalt und lässt die Maschinen nach der Freilassung aller Geiseln in der jordanischen Wüste sprengen.

Flug 330 vom 21. Februar 1970 von Kloten nach Tel Aviv stürzt kurz nach dem Start in Zürich-Kloten in einen Wald bei Würenlingen, nachdem eine Bombe an Bord explodiert ist. Alle 47 Menschen an Bord sterben. Die zweite Maschine, Flug 100 nach New York vom 6. September 1970, wird von den Entführern gezwungen, zusammen mit zwei weiteren gleichzeitig gekaperten Flugzeugen (der britischen BOAC und der amerikanischen TWA), in der jordanischen Wüste zu landen. Dort werden alle drei Maschinen, nach der Freilassung aller Geiseln, medienwirksam in die Luft gesprengt.

Die Aufbruchstimmung im Westen hat auch sein Pendant im Osten, als die tschechoslowakische Kommunistische Partei ihr Reformprogramm für eine verstärkte Liberalisierung und Demokratisierung vorstellt und damit den «Prager Frühling» einleitet. Dieser wird von der UdSSR mit Gewalt abgewürgt, als Truppen des «Warschauer Paktes» mit rund einer halben Million Soldaten aus der Sowjetunion, Polen, Ungarn und Bulgarien in der Tschechoslowakei einmarschieren und innerhalb von wenigen Stunden alle strategisch wichtigen Positionen des Landes besetzen.

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Mit der Musikkassette (MC) oder dem Tonband lassen sich erstmals Radio-Songs und selbst ganze Schallplatten (LPs) streamen (was man damals «aufnehmen» nennt).

Der direkte Einfluss der 1968er auf die Weltpolitik bleibt zwar relativ bescheiden. In gesellschaftlicher und kultureller Hinsicht war diese Generation jedoch der absolute Treiber für eine Reihe von Entwicklungen, welche die Welt bis heute in Atem halten: 

In erster Linie ist da die praktisch gleichzeitige Erfindung des Personal Computers durch Microsoft und Apple zu nennen, welche seither den Alltag der gesamten Menschheit komplett umgekrempelt hat. Genau so ist aber auch der Siegeszug der Populärkultur in den 1960er-Jahren zu nennen mit ihrer Pop und Land Art sowie der Aufsplitterung der Musikstile in unzählige Unterarten wie Soul, Funk, Beat, Folk, Psychedelic Rock, Ska, Free Jazz, Bossa Nova, um nur einige zu nennen. In den 1970er rollt musikalisch zunächst die alles verschlingende, farbenfrohe Disco-Welle an, ehe Punk und New Wave/Neue Deutsche Welle ein dunkles und erstmals digitales Sound-Zeitalter einläuten. 

Der Farb-Fernseher hält Einzug in die guten Stuben. Und im Kino tauchen neue Stilformen auf wie die Nouvelle Vague und New Hollywood, Italowestern (und der deutsche Abklatsch «Winnetou»), aber auch Aufklärungsfilme und Josefine Mutzenbacher. Das All wird auch filmisch erobert, als der erste rebellierende Computer namens HAL ein Raumschiff kapert und mit Sack und Pack über den Regenbogen namens Universum hinaus schiesst (2001: A Space Odyssey).

In modischer Hinsicht fallen, passend zur durch die Antibabypille ermöglichten sexuellen Revolution, die Hüllen: Der Rock wird zum Mini, die Hose zur Hot Pant, das Badekleid zum Bikini. Die Schlaghose wird zum Statement der Siebziger, ehe Glitter und Glammer die Rockbühnen in verquere Drag Queen Auftritte und Rocky Horror Picture Shows verwandeln (David Bowie, Queen, Elton John, Kiss etc.).

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«Apple II», entwickelt von Steve Wozniak und vermarktet durch Steve Jobs, kommt im April 1977 auf den Markt.

Standesgemäss geflogen wird im Jumbo Jet und zwischen Paris und New York mit Überschall in der Concorde. Lamborghinis sind noch formschön und haben klingende Namen wie «Miura» und «Espada». Das Limousinengeschäft wird beherrscht von Rolls Royces, Bentleys, Cadillacs, Mercedes, DS und Jaguars. Die Posers sind in Pony Cars oder getunten Opel GTs, Kadetts und Ford Escorts unterwegs. Und selbst hinter dem eisernen Vorhang bewegt es sich individuell ganz gemütlich im Trabi oder – auf höchster Sowjetebene – im panzerähnlichen ZIL. Gewohnt und geschlafen wird in italienischen Designmöbeln.

So viel neu war noch nie jeden Mai. Und überhaupt sind die ausgehenden 1960er- und angehenden 1970er-Jahre bis heute unerreicht an gutem Design und innovativen Ideen. Man denke nur schon an die ersten Computer aus der Kleingarage, welche in nicht allzu langer Zeit die Welt aus ihren Angeln heben sollen. Die Schallplatte aus Vinyl und die samstägliche Hitparade bieten die Basis für Kassetten- und Tonbandaufnahmen, die man erstmals mit dem Walkman mit nach draussen nehmen kann.

Selbst die hohe Literatur wird unterwandert durch die Populärkultur: Der Wüstenplanet Dune und William S. Burroughs palavern über nichts Anderes als ihren grossen Durst und starke Drogen. Das All ist übervertreten im Regal der Bücherwürmer mit Solaris und Stalker, Asimov, Heinlein und Philip K. Dick. An den Wänden der wohlhabenden Mitbürger hängen ausserdem überdimensionierte Comic-Zeichnungen (Roy Lichtenstein) oder Konservensuppen und falsch gedruckte Grossportraits (Andy Warhol). Und in der Ecke steht noch eine Installation von Beuys, die den wohlklingenden Namen «Fettecke» trägt. 

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Pop Art, hier nicht von ihrem berühmtesten Vertreter Roy Lichtenstein, sondern von KI generiert, trifft in den 1960er-Jahren den Nerv der Zeit.

Alles gut also, wäre da nicht die grosse Zäsur 1973, als der Welt schlagartig klar wird, dass sie auf Kosten des Planeten und in kompletter Abhängigkeit von nicht erneuerbaren Energien ihren Vollrausch geniesst. Hätte der «Ölpreisschock» damals nicht nur für kurze Zeit reinigende Wirkung gehabt, sondern nachhaltig(er) gewirkt, wären wir heute vielleicht schon einige Schritte weiter, wie wir künftig mit unserem Planeten und den Abhängigkeiten von bösmeinenden Lieferanten umgehen sollten.

Quelle: Wikipedia